Boris von Brauchitsch zeigt My Berlin Wall @ MyBerlinWall
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Rafael von Uslar
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Boris von Brauchitsch ist ein viel publizierender Kunsthistoriker, Kurator und Autor von
Prosa und Theater. Vor allem aber ist Boris von Brauchitsch ein Photograph, der mit
einem, am kunsthistorischen Wissen gestählten Auge photographiert. 2018 hatte ich die
Ehre eine retrospektiv angelegte Ausstellung seiner Werke in der Galerie Carpentier,
Berlin zu kuratieren und bei dieser Gelegenheit die Publikation: Jesus allein – Über das
Christliche im Werk des Boris von Brauchitsch vorlegen zu können.
Von Brauchitsch gelingt in seiner Photographie eine beeindruckende Balance zwischen
einer, sich unmittelbar erschließenden anekdotischen Ebene, die von Humor und einem
ausgeprägten Sinn für Ironie bestimmt wird und einer erzählerisch konzeptionellen
Komponente, die sich als ausgesprochen komplex gestalten kann und zu nachhaltiger
Reflexion stimuliert.
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Dass seine neue Installation den Namen und Gegenstand der Projektwand zum
Thema und Titel nimmt, freut mich sehr. Diese Berliner Wand, die ich auf der Grundlage
eines geltenden Mietvertrages als MEINE Wand in Besitz genommen habe, ist die einzige
Wand meiner Wohnung, die ich mir selbst vorenthalte. Stattdessen, steht sie
KünstlerInnen zur Verfügung.
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Dem neuen Werk des Photographen Boris von Brauchitsch, hat der Autor Boris von
Brauchitsch diesen einführenden Text zur Seite gestellt:
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MyBerlinWall heißt eine Wand in der Berliner Wohnung Rafael von Uslars. Das
Possessivpronomen in diesem Namen deutet darauf hin, dass er selbst diese Wand so
getauft hat. Der Name ist zugleich eine schlichte Feststellung, denn selbstverständlich
handelt es sich bei der genannten Wand um eine Wand in Berlin. Und da sie sich in
seinem Besitz befindet – übrigens von beiden Seiten – kann Rafael von Uslar sie mit Fug
und Recht als MyBerlinWall bezeichnen.
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Naturgemäß sind alle Mauern und Wände in Berlin Berliner Wände und Mauern. Aber
dass Rafael von Uslar meines Wissens der einzige unter knapp vier Millionen ist, der sich
dieser Tatsache nicht nur bewusst ist, sondern sie auch explizit beim Namen nennt, sagt
mehr über den Namensgeber aus als über seine Wand. Rafael von Uslar ist folglich auch
in dieser Hinsicht eine Ausnahmeerscheinung. Und wenn sie auch im Grunde genommen eher unscheinbar ist, wird somit auch seine Berliner Wand etwas Besonderes.
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In der Vergangenheit tummelten sich an dieser Wand bereits Werke internationaler
Provenienz, die das Flair der weiten Welt in den Salon an der Kantstraße brachten.
Die Berlin Wall wurde zum funktionalen Bildträger, zum neutralen Hintergrund, vor dem sich ein multikulturelles Szenarium entfalten konnte. My Berlin Wall ist damit auch das Symbol einer Utopie, deren Verwirklichung man in Berlin so nah gekommen ist, wie in kaum einer anderen Stadt. Denn vor allem wegen dieser Utopie erscheint Berlin vielen als so anziehend und lebenswert. Nicht wegen seiner Attraktionen, seines Charmes, seines dolce vita, sondern wegen dieser Idee von kultureller Vielfalt in friedlicher Koexistenz.
Nun darf die Wand einmal Nabelschau betreiben. Denn auch das, was sich vor und auf ihr abspielt, ist diesmal Berlin. Die rund hundert Fotografien zeigen in statischen Fragmenten und flüchtigen Situationen den Reichtum Berlins aus meinem Blickwinkel, der Subjektivität als Freiheit versteht.
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Vor diesem Berlin-Panorama – quasi als Hommage an Rafael von Uslar als den Entdecker
des Christlichen in meinem fotografischen Wirken – sind sieben Tugenden in Dosen
konserviert, die ein Dasein in Berlin besonders angenehm machen.
In der Vergangenheit war das Interesse an Lastern stets größer als jenes an den
Tugenden und kulminierte in Werken über die menschliche Unmoral, wie Wolfgang
Sofskys Buch der Laster, in dem er gleich 18 üble Eigenschaften beschrieb, die uns das
Leben zur Hölle machen. Zur Wand im Salon Rafael von Uslars nun haben Laster keinen
Zutritt. Es soll eine ideale Wand sein, die Berlin und seiner Utopie gerecht wird. Es sind
daher nur Tugenden geladen, wenn auch nicht nur solche der Christen, wie Iustitia oder
Prudentia, sondern auch welche, die Christen irrigerweise für Laster halten, wie Voluptas oder Desidia. Doch auch sie dienen einem entspannten Miteinander, einer angenehmen Existenz, einem idealen Berlin-Gefühl.
Meine Berliner Wand trifft also auf MyBerlinWall von Rafael von Uslar. Diese Begegnung
ist nur von kurzer Dauer, somit eher ein Ereignis, als eine Ausstellung. Wer dabei sein
möchte, der möge die Hand heben, zum Telefon greifen und folgende Nummer wählen:
030 – 31 01 59 84. Dann werden auch wir uns begegnen
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Boris von Brauchitsch
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